Salzkammergut Trophy 2013

13.07.13

Es ist Europas härtester Bike-Marathon. Auch weil es der längste ist: 211 km. Und vor allem der bergigste: 7049 Höhenmeter. An einem Tag selbstverständlich, um dieser Rückfrage vorzubeugen. Mit 600 anderen Marathonjüngern setzte sich Tobi diese Mal um 5 Uhr früh alleine in den Sattel, während Chrissi in der Heimat einen sehr erfolgreichen Halbmarathon lief. Nach unbeschreiblichen 12:38 h kam er als 82. (21. AK) ins Ziel und war der wohl stolzeste und glücklichste Mensch auf diesem Planeten.

Tobi in der "ewigen Wand".

Ich glaube, je länger die Wettkampfstrecke, desto weniger hat man zu erzählen: Als ich die Siegerinterviews ansehe, die für Zuschauer wie ein wirres Gestotter wirken müssen und die erschöpfte Sprachlosigkeit der Top-Athleten im Ziel sehe, merke ich was Worte alles nicht können. („Es war schön, es war lang, es war hart, es war steil,…“). Die Strecke lässt sich nicht beschreiben. Keine Chance. Man kann sie ja auch kaum fahren, wie soll man sie denn dann beschreiben? Selbst mein Bruder Chrissi, der mir von Mountainbiker zu Mountainbiker die Strecke erklären wollte und eindringlich sagte: „Pass auf, nach 150 km wird es richtig steil.“, löste in mir viel zu wenig Respekt und Vorstellungskraft aus. Man muss einfach einmal selber versuchen eine 30% - Steigung hochzufahren. Das Problem ist nur, dass es das eigentlich nirgends gibt. Es macht auch keinen Sinn. Wozu gibt es Serpentinen? Aber gut, wer eine solche Steigung tatsächlich findet und wem das dann rückblickend zu einfach erschien, der möge sich vorher 150 km im Wettkampftempo warm fahren, dabei 5000 Höhenmeter vernichten und das Bike auf Downhill-Trails für Enduro Rennen malträtieren, dass er am nächsten Tag Muskelkatar in Schultern und Oberarmen hat.

Fotos: Erwin Haiden, Martin Bihounek: Geiles Gefühl vom Heli beobachtet zu werden.

Wer dann noch keine Selbstkasteiungserfahrungen gemacht hat, verdirbt sich mit Gels noch vorher den Magen und geht dann mit leeren Energiespeichern in den Uphill. So passiert auf meinem „Rachefeldzug“, da ich diesen Anstieg letztes Jahr nicht fahren konnte. Tja, „Die Rache ist süß, aber man verdirbt sich leicht den Magen daran.“ (Deutsches Sprichwort). Ich schwöre, während meine Nasenspitze in diesem Anstieg fast auf dem Vorderrad geschliffen hat, hätte jeden Wisch unterschieben, dass ich mir ein neues Hobby suchen darf. Ich hätte sogar mein heiß geliebtes Bike verkauft. Es gibt wie gesagt keine Worte für dieses Rennen. Es war einfach … , nein, nicht einfach - sondern sackschwer. Die Biker sind auf der Strecke gestorben wie die Fliegen. Wer sich die Ergebnisliste zu Gemüte führen will, sieht wirklich seitenweise „DNF“ (Did not finish). Hätte ich nicht gewusst, dass Chrissi hier letztes Jahr hoch gefahren ist und nicht geschoben hat, so wie es wirklich alle um mich herum getan haben, auch ich wäre abgestiegen. Unfahrbar, wäre meine Bilanz gewesen. Und bei Chrissi hat es damals sogar geregnet, wir hatten hingegen tollstes Wetter.

Fotos: Erwin Haiden, Martin Bihounek: Hier kann man klettern, base-jumpen, oder eben biken - wenn man nur schwindelfrei ist.

Ein Schlüsselerlebnis war für mich, an der Stelle vorbeizufahren, an der ich letztes Jahr wegen technischem Defekt aufgeben musste. Dieses Jahr stand an dieser Stelle ein anderer. Ich konnte mich so gut in diesen Kerl einfühlen. Was hatte ich geflucht und geheult an dieser Stelle. Dieses Jahr war alles anders, ich durfte weiter fahren und das war ein Geschenk. „Böses mit Gutem zu vergelten, ist eine überaus großmütige Rache.“ (aus dem Ruodlieb)

Ein absurdes Erlebnis war eine Verpflegungsstation nach 140 km. Mir war kotz-übel und ich schüttete mir gerade mehr Cola auf das Trikot als in den Mund, als mir der Streckenmoderator das Mikrofon vors Gesicht hielt und in freudigstem Österreichisch mich für die gesamte Dorfgemeinde hautnah auf der Strecke interviewen wollte: „Dobias, bravo, bisde exdra aus Freiburg angreisd, jedseda bisde under den Besten 100, was sagsde denn dazu, hä?“. Ich wollte erst sagen, dass ich nicht weiß ob ich deshalb lachen oder weinen soll, fand das dann aber zu ehrlich und zu respektlos den frohmütigen Fans an der Strecke gegenüber, die mich erwartungsvoll anstarrten. Daher stammelte ich wie ein einfältiger Fußballprofi im Nachspielinterview hole Sätze: „Das Wetter ist gut, die Strecke schön und die Leute sind ein Traum.“ Daraufhin wurde ich beklatscht und hatte plötzlich wieder Kraft für weitere Kilometer.

Fotos: Erwin Haiden, Martin Bihounek: In technischen Passagen kann man hier viel rausholen, wenn man kann.

Ansonsten, was bleibt übrig nach einem so langen Tag im Sattel? Ich dachte, ich weiß schon vieles über Marathon. Aber ich habe viel dazu gelernt auf der Strecke. Über Ernährung, über mentales Training, über meine Fahrtechnik und über meinen Charakter als Rennfahrer: Ich habe mich als echten Team-Fahrer kennen gelernt, indem ich das erste Mal ein wichtiges Rennen alleine gefahren bin. Mit einem kleinen Bruder am Rad hat man einfach mehr Biss, mehr Wille, mehr vertrauensvolle Verantwortung und mehr Begegnung. Es war so schwer für mich alleine das Tempo hoch zu fahren, dass ich immer wieder kleine Gruppen um mich herum organisierte. Was noch übrig bleibt ist eine Menge Stolz und so etwas wie innerer Frieden nach dem „DNF“ letztes Jahr. Man sagt Rache sei süß, aber es war nicht süß, auch wenn der Magen, wie gesagt, verdorben war. Es war eher bitter. Oder doch eher bitter-süß? Ja, bittersüß. „Eine kleine Rache ist menschlicher als gar keine Rache.“ (Friedrich Nietzsche).

 

Tobi

 

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Salzkammergut Trophy 2012

14.07.12

211 km und 7050 Höhenmeter, schon auf dem Blattpapier ist die Salzkammergut Trophy kein Spaziergang und erst recht nicht in der Realität, bedenkt man die anspruchsvollen Untergründe und das miesepetrige Wetter. Chrissi kam als 9. AK nach 12:58 h ins Ziel. Tobi musste nach 7 h mit technischem Defekt aufgeben.



Am Start beschlichen mich erste Zweifel, ob wir nicht besser Lampen an die Räder montiert hätten. Es war fünf Uhr in der Früh und zapfenduster. Mit dem Startschuss kam die Morgendämmerung, die es jedoch schwer hatte durch die dicken Wolken ihr diffuses Licht auf die schlammüberzogenen Stein- und Wurzelpassagen im ersten Anstieg zu werfen. Es war ein gemütlicher Start aus den hinteren Reihen und wir suchten unseren Rhythmus in der sogenannten schnellstmöglichen Komfortzone. Scheinbar ausreichend um nach bereits 50 km auf den 80. Rang vorzufahren. An den vielen Verpflegungsstellen wurde ordentlich getankt. Das Wetter klarte auf. Unermesslich steile Passagen ließ uns vorbei an vielen Schiebebergern die Stärken unserer Bikes ausspielen. Bergab rollten wir behaglich über gefährlichstes Terrain an verzweifelnden Mitstreitern vorbei. Unsere Ausflüge ins Cross-Country machten sich hier fahrtechnisch gesehen mehr als bezahlt. Fahrspass Pur stand auf dem Programm. Guten Mutes näherten wir uns der Halbzeit. 

Die Ewige Wand - im ewigen Regen

Da nun die KollegInnen der kürzeren Distanzen die Strecke mit uns teilten, waren wir zu unendlich vielen Überholmanövern gezwungen. Bergab wurde dies auf den engen, eigentlich wunderschönen Trails zum Problem. Wir heizten permanent durch gröbstes Gelände, um dem Stau auf der sanften Line zu umgehen. Plötzlich war Schluss. Mein unpalttbarer Reifen segnete nach tausenden unsanften Kilometern das Zeitliche. Der Riss im Mantel war zu groß um sich selbst wieder abzudichten (Tublessready). Schlammverschmiert wie wir beide waren zogen wir einen Schlauch ein. Durch den Matsch, der trotz aller Vorsicht des „Simon Brüder Bike OPs“ nun den Schlauch überzog war der erneute Fahrspass nur von sehr kurzer Dauer. Man muss sich das wie Schmirgelpapier vorstellen. Dann drehte sich noch das Ventil raus, aber egal, denn jeder weitere eingezogene Schlauch wäre vergeudete Mühe gewesen. Mit der letzen CO2-Kartusche kam ich bis ins Tal, doch bei erneuter knochenharter Fahrt auf der Felge war plötzlich Sense. 

Chrissi schaute mich hilflos an, klopfte mir auf die Schulter und ich ließ ihn alleine weiter fahren. Super verzweifelt stand ich da und die hunderten Biker, die mich jetzt überholten zuckten zusammen unter meinen lauten Zorn, den noch nicht einmal der einsetzende Regen und der laut rauschende Bach übertosen konnte. Ich hatte super viel Power, gute Beine und keine Change weiter zu fahren. Ich rannte ins nächste Dorf zur Tech-Zone, doch auch hier konnte man mir nicht helfen und in den erneut einsetzenden Regen brach vollends meine Motivation. Nach 88 (!) absolvierten Wettkämpfen mein erstes DNF (Did not Finish), was eine beschissene Premiere. Chrissi machte sich nun nicht nur auf die Aufholjagt, sondern suchte unter den neuen Umständen auch erst einmal eine Weile einen Rhythmus. 

Er trotzte dem sinnflutartigem Regen und kämpfte sich von Anstieg zu Anstieg. Diese waren wahrhaftig steil und Chrissi bewies sich als einer der wenigen „Fahrgäste“, die anderen waren eher „Laufkundschaft“ bei diesem Event. Mit dem Auto kutschierte ich nun vom Sportler zum Betreuer mutiert Chrissi hinterher und bot ihm Regenkleidung, Gels und motivierende Sprüche an der Strecke an, was zwar ein emotional nicht einfacher Rollenwechsel war, mir aber irgendwie half den Tag sinnvoll abzuschließen und überschüssige Energie abzubauen. So konnte ich Chrissi nach knapp 13 h vollbepackt mit Cola, Keksen und trockener Kleidung im Ziel empfangen. Großartig, wie er unser Rennen durchgezogen und für sich abgeschlossen hat! Als Teilnehmer und Zuschauer fühle ich den Erfolg dieser Leistung und ringe für mich nach Worten, um nicht leere Phrasen zu produzieren, aber: Der Sport ist der Sport, Heute ist Heute und Morgen kommt Morgen. Einer der Brüder kommt immer durch.

 

Tobi

 

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