Sigma Sport Bike Marathon 2010

08.08.10

Mit Power mal wieder auf eine kurze Distanz

Der MTB Marathon in Neustadt an der Weinstraße gehört mit den vielen Singeltrails und den technischen Passagen zu den schönsten Deutschlands. Während Tobi in Frankreich arbeitet genießt Chrissi seine
ansteigende Form, begünstigt durch das Transalp „Trainingslager“. Ungewohnt einsam stand ich mit 400 Bikern im Startblock, ohne Tobi. Schade. Der Startschuss hallte durch die Gassen der Stadt. Ich
riskierte heute etwas mehr als sonst und brachte meinen Puls auf 175 bis 180 Pulsschläge und überholte die erste Bergauf Passage ein dutzend Biker. Dann ging es in den ersten Trail… nun war erst mal
Däumchendrehen angesagt… Allerdings atmete ich in diesen Passagen immer ordentlich durch und preschte, sobald es wieder Berghoch ging vorbei. Anstiege wurden im obersten Pulsbereich hoch gepfiffen
und Abfahrten so gefahren wie es die Mitstreiter zuließen, meistens aber ohne Rücksicht auf Verluste =) Die zweiwöchige Regenerationsphase nach der Transalp, in der ich lediglich 4mal auf dem Rad saß
tat mir sichtlich gut. So viel Power in den Beinen hatte ich schon lange nicht mehr. Nach 53km kam ich in 2:43:56 als gesamt 41. ins Ziel. In der Altersklasse erreichte ich sogar einen Top 10 Platz
(9.) mit gerade einmal 10 Minuten Rückstand auf den ersten in der AK.

Chrissi

Sigma Sport Bike Marathon 2009

09.08.09

In 6:05h fuhren wir in Neustadt an der Weinstaße auf der Langdistanz (100km, 2300Höhenmeter) ins Ziel ein. Fertig, total fertig. Würdig und freundlich begrüßt durch den netten Kommentator der Transalp, der uns sofort wieder erkannte als wir in unseren Finisher- Jerseys einfuhren, ein Zufall, dass auch er hier ist. Von 150 Startern wurden wir 51. und 52.

Erschöpft und wütend bremse ich abrupt ab und da sehe ich sie liegen. "Wer ist hier aus Eisen, hä? Du oder ich, verdammt noch mal?" brülle ich, halb verzweifelt halb grinsend nieder zu meiner zerstörten Armbanduhr, die da liegt im Sand zwischen den Felsen des Kiefernwaldes. Was mir schon lange zuviel ist, war ihr überdrüssig. Und ich verstehe sie, meine alte liebe Uhr. Und sie sollte nicht das einzige Opfer des erbarmungslosen Durchgeschüttle bleiben. Chrissi droht von hinten schon: "Ich mache das ganze nächste Jahr gar nichts mehr, ... scheiße hier ... oder zwei Jahre." Er ist plötzlich zu tief empathisch, Unsportlern gegenüber: "Ich verstehe jeden, der uns für bekloppt erklärt für dass was wir hier tun". Soll mir recht sein, ich denke eh nur noch im Kreis: "Hoffentlich kommt keine Wiese, sonst lege ich mich hin. Hoffentlich kommt bald eine Wiese, dann lege ich mich einfach hin. Hoffentlich kommt keine Wiese, sonst lege ich mich hin..." Doch stopp. Von vorne? Also zurückspulen.
Das Rennen ging super los, nur etwas zu schnell. Zum Spass fahren wir hier, wir sind wie befreit nach der Transalp: Keine Ängste, keine Taktikzwänge, keine Vernunft. Es sind super Trails hier, sehr anspruchsvoll, - unser Fall. Die Sprünge in den Abfahrten sind hoch, die Lüpfer über die Treppenstufen aufwärts ein technischer Leckerbissen. "Jiiihaaa" schallt es.
Doch dieses ständige auf und ab hier zieht superschnell Power aus meinem Akku. Hier geht es maximal 15min hoch, dann wieder runter, dann wieder sehr steil, dann wieder weniger steil. Das absolute Gegenteil zur Transalp mit stundenlangen monotonen Belastungen. Dann noch ein Sturz, mein linkes Knie verdreht sich fies, ich könnte in den Lenker beißen vor Schmerzen. Chrissi zieht mich, ja wir fahren trotzdem weiter im Team, auch wenn er im Moment schneller könnte. Dann, eine Stunde später, diesmal müssen beide ungewollt abliegen. Sanft auf einer furchtbar steilen Sandrutschbahn. Die Bilanz: Zwei verbogene Schaltungen und ein krummer Lenker. Schwieriger als ohne hin schwierig, - mir schrägem Lenker der Crème de la Crème der Hammer Trails zu fahren. Nach der ersten der beiden identischen Runden gestehen wir uns offen ein, eigentlich würde es reichen. Der Fahrspaß war erste Sahne, jetzt ist aber genug. Aber nein, wir werden freundlich auf die zweite Runde gebeten. Super, noch mal drei Stunden. Lassen Sie unseren Zustand hier als absolut unfrisch bezeichnen.
Als nächstes fliegt mir bei einem tollen Downhill meine Satteltasche um die Ohren. Nur Minuten später hat Chrissi einen Platten. Es ist heiß. Es ist staubig, sandig, vertrackt und erbarmungslos. Alles vordem wir auf der Transalp verschont blieben holt uns jetzt ein und zwar rücksichtslos alles. Chrissi wird schlecht. Entschuldigen Sie die tiefen Einblicke, - wie der Abwehrspieler Christian Wörns vor einem DFB- Länderspiel ankündigte bis an die Kotzgrenze zu gehen, konnten wir ab hier nur noch knapp unter dieser unromantischen Grenze fahren, nicht mehr bei Puls 170, nein, eher bei 140. Jetzt hat eben Chrissi sein Tief, bei mir läufts irgendwie. Scheinbar schalte ich mitunter auf Autopilot, denn plötzlich, als ich unten von einem Trail ausgespuckt werde, wache ich wieder auf. "Huch, wo bin ich?", der Schmerz erinnert mich sofort.
Dann zereist das Metallarmband meiner Uhr.
Wir nehmen jedoch alle Leiden, und es sind wirklich Leiden, glücklicherweise mit humorvollen Sprüchen und sarkastischen Bemerkungen auf uns. Das rettet uns, denn es ist verzweifelnd, so was von am Ende zu sein und dem Ziel noch so fern. Mein äußerst hilfreicher erster Gang geht nicht mehr: "Egal ich hab Power ohne Ende, ich fahr eh alles im dritten." Chrissi entmachtet die Empörung über eine weitere unglaublich zerberstende Rampe mit einem: "Jea!"
In meiner persönlichen Schmerzens-Highscore führt derweil souverän der Nacken, vom ständigen auf den Weg voller Gebuckel und Gerüttel Geschaue. Gleich danach, mit wenigen Quengelpunkten Abstand das verdrehte Knie, dicht gefolgt von den Handgelenken, - waren die nicht mal dünner? Nicht zu vergessen der Kopf, der Flüssigkeitsdefiziten Ausdruck verleiht, die Übelkeit, die Beine... Die Strecke wird auch nicht leichter, jede Stufe ist gewachsen, jede Entfernung verlängert, jede Höhe höher, und jeder verfluchte Schmerz und jeder erbarmungslose Erschöpfung steigt exponentiell. Chrissi fragt: "Gehts?" Ich lüge: "Ja!" Wir sind beide leergesaugt, eine Hülle. Hier bist nur du, dein schreiender Körper und der Weg.
Doch Aufgeben kommt nicht in Frage, warum? Weil Aufgeben eine mögliche Option wäre. Sie verstehen nicht ganz? Ein absurdes Beispiel kommt mir, als ich mich wieder mächtig am Lenker festkrallen muss: Fahre ich mit einem Reisebus, muss ich sofort auf Toilette, egal wie wenig ich getrunken habe. Panisch warte ich auf die nächste Raststätte die der Busfahrer womöglich erst nach Stunden anfahren wird. Fahre ich mit einem Reisebus mit nutzbarem WC, werde ich reisen können, ohne diese einmal zu nutzen.
Aber zurück aufs Rad. Ständig kurz vorm absteigen oder besser gesagt runterfallen vom Rad: "Egal wie und wann, wir finishen!" presst Chrissi über seine Lippen. Irgendwann sind auch 100km gefahren, auch wenn mein Tacho zwischenzeitlich Puls und km/h "Null" anzeigte, - er konnte einfach kaum glauben, dass wir uns das alles tatsächlich immer noch antun. Er dachte wohl wir wären endlich im Ziel, oder wir wären tot. Doch soweit kam es nicht und gleich nach der Ziellinie war kein Anspruch auf einen Ruheplatz zu hoch.
Denise bestätigte mitleidig: "So fertig saht ihr ja noch nicht mal nach der Transalp aus!" Recht hat sie, so haben wir uns tatsächlich noch nie gefühlt.

Tobi