Zillertal Bike Challenge

01.07. - 03.07.16

Mit der Zieleinfahrt am Hintertuxer Gletscher ging nach drei Tagesetappen mit insgesamt 9000 Höhenmetern auf 190 km für Peter Leonhard, Thomas Hoch und die Simon Brüder, Christopher und Tobias, der große Saisonhöhepunkt des Jahres zu Ende. Wir Brüder erkämpften im Teamwork  unter den 243 gemeldeten  Fahrern sekundengleich den 32. Platz (5. AK) und 33. Platz (9. AK). Peter fuhr mit einem starken und konstanten Tempo auf den 91. Platz (23. AK). Thomas musste das Rennen nach zweieinhalb stark gefahrenen Tagen leider beenden, ebenso erging es 52 anderen Leidensgenossen.

 

Schorsch in Stellvertretung für alle weiteren Supporter an der Strecke.

Den Grundstein für die erfolgreichen Ergebnisse legte wieder einmal das „Team hinter dem Team“, das mit Autos und Rädern dafür sorgten, dass wir Schauenberg Racer Trinkflaschen, Gels und reichlich Motivation auf der Strecke tanken konnten. Sie gewährleisteten auch eine schnelle Regeneration und Verpflegung nach den Etappen, was bei einem Mehrtagesrennen überaus wichtig ist. Unterm Strich waren es drei harte aber wunderschöne Tage im Zillertal. Für uns vier alpenerfahrenen Biker herrschte durch die tolle Streckenführung und die ambitionierte Rennatmosphäre auf der Königsstrecke fast schon ein bisschen Transalp-Feeling.

Es sieht nicht wirklich anstrengend aus, aber Schmerzen sind das, was du daraus machst.

Und nun ein paar Blitzlichter aus der Rennfahrer-Perspektive:

 

Erste Etappe: Der Startschuss fällt. Vier orangene Schauenberger schießen durch das knallbunte Feld in den ersten Anstieg hinein. Mein Bruder zieht vorbei, wie bei einem Cross-Country Start. "Von dem Trainingsplan will ich ne Kopie", denke ich, "kaum trainiert der Bursche und wieder super beinander, zzz." Doch meine Alarmlampen leuchten rot bei dem Speed und warnen vor den bevorstehenden 9000 Höhenmetern. Aber es ist es mein Saisonhöhepunkt, also endlich Handbremse lösen und Vollgas. Bald blicke ich mich zu meinen Teamfahrern um. Ich sehe Chrissi und entscheide nach ein paar Serpentinen ihn aufschließen zu lassen – zusammen ist man weniger allein. Ab diesem Zeitpunkt fahren wir Rad an Rad, auch wenn wir uns immer wieder genehmigen, den anderen wegfahren zu lassen. Es klappt nicht mit unterschiedlichem Tempo, also wählen wir ein gleiches.

Alles ist im Fluß wenn wir zusammen fahren können.

Die erste Abfahrt und die Bremsen bleiben offen. Wir trauen den nichtvorhandenen Warnschildern und Chrissi schlittert in vollem Tempo aus der ersten Serpentine. Ein paar Schürfungen später machen wir bergab wieder einige Plätze gut. Auf den knallheißen folgenden 1500 Höhenmetern starre ich leidvoll auf die Hinterradnarbe von Chrissi. Ich bin am absoluten Limit, so wie ich das wollte. Aber wollte ich das wirklich? So hart? Erst mit einigen Sprüngen und Anliegern eines feinen Trails Richtig Ziel erwachen neue Lebensgeister, doch diese verkrampfen sofort in einem der fiesen Gegenanstiege und zwingenn zu mentalen Bewältigungsstrategien: Das Leiden wird verortet, um dann mit dem Kraftgebendem bewusst weiter zu fighten. Dann das Ziel: Abliegen, Beine hoch, Kopfkino ein und die genialen Eindrücke Revue passieren lassen.

Kein Bein auf dieser Welt freut sich ein Tag nach einem Marathon das gleiche nochmal zu tun.

Zweiter Tag: Die Beine kleben wie Kaugummi. Fast schon dankbar sind sie über die absurderweise geschlossenen Bahnschranken direkt nach dem Start. Nun heißt es Tempo finden: Kurz leicht überziehen und einpendeln. Wow, wir sind wieder Rad an Rad. Das kann heiter werden. 2000 Höhenmeter am Stück stehen auf dem Frühstückstablett. Die ersten sind human. Dann wird es steil und richtig geil. Andere sterben wie die Fliegen und ich kann endlich fliegen. Doch die letzte 35 % - Rampe müssen auch wir vom Rad. Also Bike auf die Schulter und die anderen Radliebenden, weil Schiebenden, überholen. Nach dem Bergsprint gab es einen beinahe freien Fall: Einfach Schuss die Skipiste runter. Quer über ein Schneefeld einbeinig ausgeklickt manövrieren. Schmelzwasser zerpflügen und Geröll durchschneiden und ab in die nächste Steigung. Hier stehen wieder unsere verlässlichen Supporter und beglücken uns. Es ist pures Transalp-Feeling. Die vierte Stunde bricht an und wir kommen immer besser in Tritt.

Hier ziehen wir uns noch gegenseitig mental über die Strecke, später dann auch mal ganz physisch.

Chrissi zieht exzellent über die letzten fiesen Rampen. Im folgenden technischen Trail fahren wir dann taktisch auf zwei Mitstreiter auf, denen ich nach kurzer Analyse echte Lokomotivenqualitäten für die letzten 10 km unterstellte. Und tatsächlich. Mein Puls haut es in der Ebene voll nach oben und wie ein Fähnchen im Wind versuche ich mich bei knapp 45 km/h im Windschatten zu halten. Doch das Tour de France-Gefühl hält nicht lange an, denn bei einem Antritt zermalmt Chrissi seine Kette. Er ruft nach mir, aber bitte, was soll ich tun? Ist er der Mechaniker oder ich? „Zieh mich!“, ruft er und ich wäre nicht sein großer Bruder wenn ich mich hier nicht in der Pflicht sehen würde. So hängt mein Bruderherz an meiner rechten Trikottasche und verdeutlicht mir, dass auch ein Leichtgewicht verdammt schwer sein kann. Doch nach 5 km Abschleppdienst ist das Ziel in Sicht und wir retten unsere super Fahrt auf die Ergebnisliste.

Langstreckenrennen sind in erster Linie ein Kampf mit sich selbst und mit der Natur und das ist wirklich schön.

Dritter Tag: Die Beine fühlen sich super an, eine Transalp könnte folgen. Also wieder Tempo hochfahren und alle Körner verschießen bis zum Gletscher. Es ist nicht ganz unser Profil, weil einfach die Abfahrten fehlen. Aber einige steile Passagen bergauf sind auch ein Grund zur Freude. Mal sehen was wir heute erreichen: Die Platzierung ist uns letztlich ziemlich egal, denn wir haben die Konkurrenz nicht in der Hand. Aber wir fühlen uns sehr erfolgreich, weil wir heute etliche Fahrer überholen, die uns die Tage zuvor haben alt aussehen lassen. Das richtige Pacing ist für uns alles und die immer besser werdenden Platzierungen freuen uns ebenso wie die täglich immer wieder steigenden Platzierungen bei den Splittzeiten. Zum Ende der Etappe geht es durch mystischen Nebel und wüstes Gletschergestein immer steiler nach oben. Viel Power ist nicht mehr im Tank aber wir pushen uns Rad an Rad weiter und weiter.

Christophorus führt durch den eiskalten Gletscherfluss.

Ohne Worte wissen wir beide voneinander: Unsere Challenge ist es heute nicht vom Rad steigen zu müssen. Und viele der Schiebenden machen uns freundlich Platz. Es ist knallhart, aber Laufen ist keine Option. Und irgendwann, nach einer nebligen Ewigkeit im Gesteinslabyrinth hören wir die Lautsprecher im Ziel. Die letzten losen Schotterrampen können uns jetzt auch nicht mehr aus dem Sattel holen und so fahren wir nebeneinander mit geballter Faust über die Ziellinie auf 2660 m.ü.M.  Was ein geiles Rennen. Einen besseren Urlaub gibt es einfach nicht.